Next: Semantik -- Wortsemantik
Up: Grundkurs: Vorlesung
Previous: Satzsyntax: Komplexe Sätze
Die Semantik befaßt sich mit dem Inhalt von Zeichen;
genauer: mit dem Sinn und der Bedeutung
von Zeichen:
- Sinn (engl. `sense'):
- Die Aspekte des Inhalts, die sich aus den Relationen der Wörter, Sätze usw. untereinander im System der Sprache ergibt. Für Sinn findet man manchmal den verwandten Begriff Intension (N.B.: hier mit s geschrieben, nicht mit t).
- Bedeutung (engl. `reference'):
- Die Aspekte des Inhalts, die sich aus den Relationen zwischen dem Zeichen und der Welt ergeben. Für Bedeutung findet man manchmal den Begriff Extension, Bezeichnetes, Signifikat, Bezug, signifié.
Der Sinn eines Zeichens definiert seine Interpretation in bezug auf
Gegenständen,
Ereignissen,
Sachverhalten,
usw.
in der Welt.
Diese Unterscheidung geht auf Gottlob Frege zurück.
In seinem Aufsatz ``Über Sinn und Bedeutung'' (1892)
definierte der Sprachphilosoph und Mathematiker Frege folgendermaßen:
Es liegt nun nahe, mit einem Zeichen (Namen, Wortverbindung, Schriftzeichen),
außer dem Bezeichneten, was die Bedeutung des Zeichens heißen möge, noch das verbunden zu denken, was ich den Sinn des Zeichens nennen möchte, worin die Art des Gegebenseins enthalten ist.
[...]
es würde die Bedeutung von ``Abendstern'' und ``Morgenstern'' dieselbe sein,
aber nicht der Sinn.
[...]
Von der Bedeutung und dem Sinne eines Zeichens ist die mit ihm verknüpfte
Vorstellung yu unterscheiden.
Wenn die Bedeutung eines Zeichens ein sinnlich wahrnehmbarer Gegenstand ist,
so ist meine Vorstellung davon ein aus Erinnerungen von Sinneseindrücken,
die ich gehabt habe, und von Tätigkeiten,
inneren sowohl wie äußeren, die ich ausgeübt habe,
entstandenes inneres Bild. Dieses ist oft mit Gefühlen getränkt;
die Deutlichkeit seiner einzelnen Teile ist verschieden und schwankend.
Die linguistische Semantik befaßt sich primär mit dem Sinn,
die Logik auch mit der Bedeutung.
In diesem Kontext werden wir manchmal das Wort `Bedeutung' statt `Sinn'
verwenden, da es in der Linguistik wesentlich geläufiger ist.
Desgleichen werden wir manchmal aus demselben Grund das wort `Bezeichnetes'
statt des Frege'schen `Bedeutung' verwenden.
Aus heutiger linguistischer Sicht sind noch einige weitere Unterscheidungen
über die Frege'schen hinaus nötig;
vor allem die Einschränkung des Zeichen-Begriffs
auf die Schriftsprache vereinfacht den Zeichenbegriff sehr stark
und verkennt sowohl
die Wichtigkeit als auch die Komplexität der gesprochenen Sprache.
Die verschiedenen Zeichen-Ebenen haben jeweils ihre eigenen
Sinn- und Bedeutungsarten:
- Wort: Namen beziehen sich auf Objekte; Nomen, Adjektive, Verben beziehen sich auf Eigenschaften, Zustände usw. von Objekten.
- ``Helmut Kahl'' bezieht sich auf Helmut Kahl.
- ``Blau'' bezeichnet die Farbe des Himmels an sonnigen Tagen.
- Satz: Einfache und komplexe Sätze beziehen sich auf Sachverhalte und haben Wahrheitswerte (``Es regnet.''), oder drücken Werturteile (``Mir schmeckt's nicht!'') aus, oder vollbringen konventionelle Handlungen (``Ich verspreche es Dir...'')
- Behauptung: ``Es regnet.'' ist ein Satz, der wahr ist, wenn's regnet.
- Wertung: ``Mutti Lottis Nußecken schmecken toll!'' ist jedenfalls meine Meinung.
- Handlung: ``Ich verspreche Dir das Blaue vom Himmel,'' sagte er, und meinte es anscheinend auch.
- Text: Texte setzen reelle oder hypothetische Sachverhalte in Beziehung, z.B. um Schlüsse zu ziehen, Erzählungen zu bilden, Beschreibungen zu verfassen:
- ``Wenn Du meinst, daß Mutti Lotti's Nußecken toll schmecken, dann hättest Du sie auch mit sichtlichem Vergnügen essen müssen...''
- Diskurs: Diskurse setzen Textelemente verschiedener Personen zueinander in Beziehung, z.B. als kooperative oder kontroverse Diskussionen, Unterhaltungen, Argumente, Lehrveranstaltungen, Stammtischrunden.
- ``... wieso? Sie hat diesmal Murks gemacht. Muß ja nicht immer klappen.''
| inhaltliche Bedeutungselemente | formale Bedeutungselemente |
WORT-EBENE | lexikalische Morpheme | grammatische Morpheme |
| Ableitungsstämme | Ableitungsendungen |
| Komposition | elliptische Funktion |
| Wörter | Flexionsendungen |
SATZ-EBENE | ``Inhaltswörter'' | ``Funktionswörter'' |
| Verben | Zeitoperatoren |
| Nomen | Quantoren |
| Adjektive, Adverbien | Grade, Komparation |
| Präpositionen | Präpositionen |
| | Satzadverbien |
TEXT-EBENE | | Konjunktionen |
| | Pronomina |
| | Fragewörter |
| | Diskurspartikeln |
| | Prosodie |
Mit den formalen (grammatischen, synkategorematischen) Bedeutungselementen
werden einfachere Zeichen zu komplexeren Zeichen kompositionell
zusammengesetzt und ihre Bedeutungen kompositionell interpretiert.
- Syntax, Semantik, Pragmatik:
-
- Syntax: Die Beziehung(en) von Zeichen untereinander.
- Semantik: Die Beziehung(en) von Zeichen zur Welt.
- Pragmatik: Die Beziehung(en) von Zeichen zu den Erzeugern und Interpretern von Zeichen.
- Metasprache:
- Die Funktion einer Sprache, sich auf Sprache selbst zu beziehen:
- Im Satz ``Habt Mitleid mit Arminia!'' finden wir 4 Wörter, davon zwei Nomina, ein Verb und eine Präposition, und es handelt sich um eine Aufforderung, mit dem Bielefelder Fußballclub anläßlich seiner Demütigung Sympathie zu empfinden.
In der metasprachlichen Funktion sind sprachliche Zeichen gleichzeitig das Bezeichnete, die Bedeutung des sprachlichen Zeichens.
- Kompositionalität:
- Der Sinn eines komplexen Zeichens ist eine Funktion der Sinne der Einzelteile (das ``Frege'sche Prinzip''):
- SINN(der Apfel ist rot) = f(SINN(der), SINN(Apfel), SINN(ist), SINN(rot))
Es gehört zu den Hauptaufgaben der Semantik, diese Funktion bzw. Funktionen zu definierern.
- Prädikat:
- logischer Ausdruck, der z.B. auf Namen angewendet wird, und Eigenschaften der durch den Namen bezeichneten Objekte bezeichnet.
- Argument: logischer Ausdruck, auf den Prädikate angewendet werden (in der Regel Namen oder Variablen):
- Alle Kinder haben eine biologische Mutter und einen biologischen Vater.
- Für alle x gilt, daß wenn x ein Kind ist, dann gibt es ein y und ein z, so daß z biologische Mutter von x ist und z biologischer Vater von x ist.
-
- Proposition:
- Der Sinn eines Satzes.
- Sachverhalt:
- Die Bedeutung eines Satzes.
- Inferenz:
- Die Ableitung eines Satzes aus einem anderen vermittels eines logischen Gesetzes.
- Syllogismus:
- Eine Familie von allgemeinen Inferenztypen, die für die klassische (aristotelische) Logik charakteristisch ist:
Alle Friedenstauben sind weiß.
Turtelchen ist eine Friedenstaube.
Turtelchen ist weiß.
Dieser Syllogismustyp heißt modus ponens.
Folgender heißt modus tollens:
Alle Friedenstauben sind weiß.
Turtelchen ist nicht weiß.
Turtelchen ist keine Friedenstaube.
Die allgemeinen Schemata für diese Syllogismen sind (etwas vereinfacht):
modus ponens | modus tollens |
p q | p q |
p | q |
q | p |
In der Semantik sind mehrere Methoden verbreitet:
- Distributionsanalyse (Kontextanalyse): Wie bei anderen linguistischen Untersuchungen, nur mit semantisch definierten Kriterien für die Substitution, z.B. ohne Veränderung des Wahrheitswerts; ohne Veränderung des Wahrheitswerts bei Verwendung der Negation.
- Feldanalyse: Aufstellung von Feldern ähnlicher Wörter aufgrund von Ähnlichkeiten (paradigmatische Relationen).
- Semantische Dekomposition: Zerlegung der Bedeutung eines Worts in einzelne Bedeutungskomponenten (analog zu einem verbreiteten Typ von Wörterbuchdefinition).
- Definition: z.B. durch genus proximum et differentia specifica (etwa: durch den nächsten Oberbegriff und die Unterscheidungsmerkmale).
Next: Semantik -- Wortsemantik
Up: Grundkurs: Vorlesung
Previous: Satzsyntax: Komplexe Sätze
© Dafydd Gibbon
Thu Jun 25 08:00:45 MET DST 1998