Raimo Anttila
Dynamisches Objekt, Kontext und finaler Interpretant
André Delobelle
Simultaneität und Sukzession: Der Zeichenprozeß
als Zustandsänderung
James R. Hurford
Bedeutung und private Regelbefolgung
Jaroslaw Jiránek
Symptom, Index, Konnotation
Rudi Keller
Zeichenbedeutung und Bedeutungswandel
Rudi Keller
Schlußprozesse in der Kommunikation
Dynamisches Objekt, Kontext und finaler
Interpretant
Raimo Anttila, Universität von Kalifornien, Los Angeles
Zusammenfassung. Der Verfasser stimmt Kellers These zu, daß die
Entwicklung menschlicher Zeichensysteme darauf beruht, daß die Zeichen
dazu neigen, von der Kategorie des Index in die des Ikons und von der des
Ikons in die des Symbols überzugehen, wobei ein Symbol seinerseits
als Index höherer Ordnung (Metonymie) oder Ikon höherer Ordnung
(Metapher) verwendet werden kann. Doch findet der Verfasser eine Reihe
von unklaren Punkten in Kellers Konzeption und versucht, sie in den Begriffen
von Peirce zu formulieren. Er hebt die Rolle hervor, die der Kontext bei
der Zeicheninterpretation spielt, und schlägt vor, ihn in den Zeichenprozeß
zu integrieren, indem er die Peircesche Unterscheidung zwischen dem unmittelbaren
und dem dynamischen Objekt des Zeichens heranzieht. Darüber hinaus
zeigt er, daß die Kellersche Distinktion zwischen Bedeutung und Sinn
der Peirceschen Unterscheidung zwischen dem unmittelbaren und dem dynamischen
Interpretanten des Zeichens entspricht, und fragt, warum es in Kellers
Ansatz kein Gegenstück zu Peirces Begriff des finalen Interpretanten
gibt.
Simultaneität und Sukzession: Der
Zeichenprozeß als Zustandsänderung
André Delobelle, Institut des Hautes Etudes des Communications
Sociales, Brüssel
Zusammenfassung. Der Verfasser stellt der physikalischen Welt und ihrem
schnellen Wandel das denkende Subjekt und seine Beständigkeit gegenüber.
In den Handlungen des Subjekts unterscheidet er die Sukzession der physischen
Ereignisse (äußerer Aspekt der Handlung) von der Simultaneität
der Handlungsmotive (innerer Aspekt der Handlung). Simultaneität und
Sukzession kennzeichnen auch die Stadien des Sprechaktes: (a) im Formulierungsprozeß
wählt das Subjekt die zu äußernden Zeichen aus simultan
gegebenen Paradigmen von virtuellen Zeichen aus; (b) bei der Zeichenäußerung
werden die gewählten Zeichen sukzessive produziert; (c) in dem dabei
entstandenen Text sind die Zeichen simultan gegeben und durch syntagmatische
Beziehungen miteinander verknüpft. Diese Analyse veranlaßt den
Verfasser, zwei verschiedene Typen von Zeit zu postulieren: die qualitative,
nicht-deterministische, nicht-lineare Zeit der psychischen Phänomene
und die quantitative, deterministische, lineare Zeit der physischen Phänomene.
Phänomene des ersten Zeittyps können zur Erklärung und Vorhersage
von Phänomenen des zweiten herangezogen werden, aber nicht umgekehrt.
Bedeutung und private Regelbefolgung
James R. Hurford, Universität Edinburgh
Zusammenfassung. Der Verfasser stimmt Kellers These zu, daß in
menschlichen Zeichensystemen Ikone zu Symbolen werden, wenn sie häufig
und gemäß Regeln angewandt werden. Er kritisiert jedoch Kellers
Konzeption der Regeln als sozialer Gegebenheiten und befürwortet einen
Regelbegriff, der in den Rahmen der Individualpsychologie paßt.
Symptom, Index, Konnotation
Jaroslaw Jiránek, Prag
Zusammenfassung. Der Verfasser stimmt Kellers Ansatz insgesamt zu und
betont dabei besonders die Auffassung von Metonymie als Metaindex und der
Metapher als Metaikon. Er kritisiert, daß die Behandlung semiotischer
Fragestellungen zu sehr von der Sprache als Beispiel ausgeht, und bringt
Argumente gegen die Reduktion des Index auf das Symptom, der Ähnlichkeit
auf die Gleichheit und der Konnotation auf die Assoziation.
Zeichenbedeutung und Bedeutungswandel
Rudi Keller, Universität Düsseldorf
Zusammenfassung. Der Autor unterscheidet symptomische, ikonische und
symbolische Zeichenbedeutung systematisch vom Sinn der Zeichenverwendung
und versteht die Zeichenbedeutung als Mittel zur Mitteilung eines Sinns.
Er untersucht zunächst, wie Symptome zu Ikonen und Ikone zu Symbolen
werden, ohne daß eine planende Hand beteiligt ist. Dann führt
er aus, wie aus Symbolen neue Symbole entstehen können, indem die
Verfahren der Symptombildung und Ikonbildung auf sie angewandt werden.
Wird das Symptombildungsverfahren auf ein Symbol angewandt, so entsteht
eine Metonymie, wird das Ikonbildungsverfahren auf ein Symbol angewandt,
so entsteht eine Metapher. Metonymien und Metaphern sind somit Symptome
bzw. Ikone zweiter Ordnung, die ihrerseits wieder zu Symbolen werden können.
Schlußprozesse in der Kommunikation
Rudi Keller, Universität Düsseldorf
Zusammenfassung. In Erwiderung auf die Kritiken von Hurford, Jiránek
und Anttila wiederholt der Autor zunächst seine beiden Hauptthesen:
1. Sprachliche Zeichen sind keine statischen Einheiten, denen bisweilen
das Mißgeschick des Wandels widerfährt. 2. Kommunizieren ist
kein Problem des Bedeutungstransports. Gegenüber Hurford räumt
Keller ein, daß Raten eine wichtige Rolle beim Kommunizieren spielt,
und er benutzt Peirces Klassifikation der Schlußweisen in Deduktion,
Induktion und Abduktion, um die Typen des Ratens in der Kommunikation zu
bestimmen. Hurfords These, daß der Regelbegriff im Rahmen der Individualpsychologie
definierbar sein sollte, stimmt er zu, vertritt aber zugleich auch Wittgensteins
Argument gegen die Möglichkeit einer Privatsprache. Was Jiránek
betrifft, so verteidigt Keller seine Verwendung des Symptombegriffs anstelle
des weiteren Peirceschen Indexbegriffs und akzeptiert die Möglichkeit
von Konnotationen als intersubjektiven Erscheinungen. Gegenüber Anttila
betont Keller den intrinsischen Charakter des Zeichenwandels sowie den
Unterschied zwischen einer Semiose als Zeichenprozeß, der Sender,
Interpreten und dynamische Objekte umfaßt, und einem Zeichen, das
diese nicht umfaßt.