Die Befindlichkeit der Liberalen
Die FDP ist wieder da. Nach Jahren demütigender Machtlosigkeit, in denen sie ausgerechnet in der Blütezeit des Neoliberalismus zur Untätigkeit verdammt war, hat sie 2009 endlich wieder den Sprung aufs Treppchen geschafft. Und nun tut sie das, was jedes Kind tut, dem mal der Lolli weggenommen wurde. Sie ist böse auf die, die ihr das angetan haben. Verantwortlich macht sie in erster Linie die Sozialisten, natürlicher Feind jeder neoliberalen oder faschistischen Bewegung. Schuldig ist natürlich auch die breite Masse der Bevölkerung, die aufgrund naturgegebener Dummheit gar nicht in der Lage ist, die Glorie der FDP-Ideologie zu erkennen und somit ihrem eigenen Glück massiv im Wege steht. Gegen diese gilt es vorzugehen.
Leider fehlt den Führern der Liberalen die Erfahrung. Denn wie in jedem Job gilt auch in der Bundespolitik: Wer erstmal ein paar Jahre raus gewesen ist, der muss von Vorne anfangen. Und so kommt es auch zu den unvermeidlichen Anfängerfehlern, denen sich anscheinend jede Partei nach ein paar Jahren Absenz von der Regierungstätigkeit stellen muss.
Gutmütig belächeln konnte man noch den Ausfall Westerwelles, als er einem britischen Journalisten den neuen Wind demonstrierte, der nun mit der FDP durch die deutsche Politk wehte. Belächelt hat man allerdings zu Beginn ihrer Karrieren auch Bush, Hitler und Merkel. Das Lächeln gefror spätestens, als die FDP durch Spenden in nicht unbeträchtlicher Höhe motiviert wurde, das deutsche Steuersystem, zu dessen Vereinfachung sie ursprünglich angetreten war, um einige Fallstricke zu erweitern, indem sie (zu der Zeit noch gemeinsam mit der CSU) durchsetzte, dass Hotelübernachtungen geringer besteuert werden als das dazugehörige Frühstück. Dem durchaus nicht falschen Vorwurf der Klientelpolitik (denn was ist Politik je anderes gewesen als die Jagd nach mündigen Bürgern, die dumm genug sind, auch bei der nächsten Wahl ihr Kreuz an der richtigen Stelle zu machen) begegnete sie mit bemerkenswert wenig Souveränität. Westerwelle und seine Adlaten spielten die beleidigten Leberwürste. Und begannen zurückzuholzen.
Nicht nur die ARD, der ein Mangel an vorauseilendem Gehorsam unterstellt wurde, als sie es zuließ, dass in der Lindenstraße die Partei als Vereinigung von Lügnern und Betrügern bezeichnet wurde, wurde rundgemacht, nein, das gesamte System der gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten wurde der fehlenden Staatstreue bezichtigt und dessen Abschaffung gefordert. Aktuell schwelt dieser Konflikt immer noch. Denn die ARD stellte nicht nur die Ausstrahlung der Lindenstraße nicht ein, sie plant auch, so etwas wie einen Feedreader, der tagesschau.de abgreift, fürs iPhone kostenfrei bereitzustellen. Von Gebührenzahlern finanziert, während die Konkurrenzprodukte von z.B. Springer kostenpflichtig sein sollen. Abschaffung allerdings ist etwas, zu dem die FDP ein etwas ambivalentes Verhältnis hat. Denn abgeschafft werden sollte vor der Wahl auch das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Als sich nach der Wahl aber herausstellte, dass niemand wirklich Interesse an diesem Ministerposten, die FDP aber noch einen Niebel herumliegen hatte, nahm man lieber den Posten als das Wahlversprechen ernst. Auch das war ein Schritt, den sich ein umsichtigerer, cleverer und erfahrener Führer wahrscheinlich eher gespart hätte. Nicht nur die Frage, ob ein Militarist erster Güte für diese Stelle die richtige Besetzung ist, kann bis heute nicht positiv beantwortet werden.
Ein anderes Debakel bahnte sich derweil in der Gesundheitspolitik unter dem jungen, sich beständig die Karriereleiter hinaufschleimenden Minister Rösler an. Und dieses eine Mal war die FDP wirklich ohne Schuld. Denn die Zusatzbeiträge, die die Kassen erheben können, stammen noch von der Vorgängerregierung, an der der Arzt aus Niedersachsen nun wirklich nicht beteiligt war, obwohl man es bei der Stümperhaftigkeit, mit der die große Koalition die Gesundheitspolitik in eine Sackgasse hineinkompromisste, nicht vermuten würde. Nun hatte er die Chance, endlich mal mit Sachpolitik zu glänzen. In der noch jungen Regierungszeit der FDP wäre das ein Novum gewesen. Leider war er zu jung, zu unerfahren oder zu liberal. Statt den Gesundheitsfond auf wirtschaftlich stabile Beine zu stellen, wurden auch hier nur Pläne aus den Schublade gezogen, die alle möglichen Handschriften trugen, nur nicht die des Ministeriums. Und wieder war der nicht unrichtige Vorwurf: Klientelpolitik. Und weil sich die in diesem Fall mit Lobbypolitik vermischte, war der Fail vorprogrammiert.
Der nächste Streich, als man in der Führung der FDP bemerkte, dass man erfolgreicher ist, wenn man sich mit seiner Politik eher an Werten wie Moral, Ehrlichkeit u.ä. orientiert, statt an Großspenden, Postengeschacher und großen Auftritten, war die völlig unmotivierte Hetze gegen das deutsche Sozialsystem in toto. Und noch während die Umfragewerte in den Keller rauschten und es vielleicht dem einen oder anderen Zuarbeiter der Pressestelle schon dämmerte, dass es nicht unbedingt reicht, auf die Schwächsten zu treten, kam jemand auf die grandiose Idee, das Grundeinkommen zu einem “Bürgergeld” zu pervertieren.
Und wem der Gedanke gefällt, dass dieses Gruselkabinett noch drei weitere Jahre aufgeführt wird, den kann man nicht anders denn als Masochist bezeichnen. Allein, es bleibt die Hoffnung, dass die Liberalen eine Wende vollführen, die seit 1989 in Deutschland niemand mehr gesehen hat, sich auf ihre Wurzeln besinnt und endlich aufhört, ihr Sozialstaatbashing mit liberaler Politik zu verwechseln. Wenn sie dann noch ihre Spitzen von Selbstgefälligkeit und völlig unbegründeter Arroganz befreit, kann man vielleicht auch wieder Diskussionsrunden im Fernsehen anschauen, ohne danach die nächstgelegene Parteizentrale niederbrennen zu wollen.
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