Staat
Ein Staat (abgeleitet von italienisch lo stato) ist das Konstrukt einer politischen Ordnung, die ein gemeinsames, durch territoriale Souveränität (und i.d.R. ausgeübte Gebietshoheit) abgegrenztes Staatsgebiet,[1] ein dazugehöriges Staatsvolk und eine Machtausübung über dieses umfasst (→ Drei-Elemente-Lehre). Eine allgemein gültige Definition solcher Ordnungen gibt es im wissenschaftlichen Diskurs aber nicht.[2][3]
Nach ihren Regierungen unterscheidet man monarchistisch, autokratisch und demokratisch verfasste Staatsformen.
Die Frage nach Wesen und Form des Staates im übertragenen oder allgemeinen Sinne eines übergeordneten Gemeinwesens stellte bereits Platon;[4] mit ihr beschäftigen sich u. a. folgende Wissenschaften:
- die Soziologie (in ihr ist der Staat das Antonym zur Gesellschaft)
- die Politische Philosophie (Staatstheorie)
- die Rechtswissenschaft (Allgemeine Staatslehre als rechtstheoretische Disziplin)
- die Wirtschaftswissenschaft (z. B. Neue Institutionenökonomik, Institutionenökonomik)
- die Theologie (siehe Christliche Soziallehre, Befreiungstheologie)
Die vier erstgenannten Wissenschaften nutzen häufig auch den Begriff Staatsmodell, und zwar zur modellhaften Charakterisierung von Staaten: im Rahmen der Beschreibung und modernen begrifflichen Fixierung von Staatstypen stellen sie jeweils als wesentlich erachtete Merkmale in den Vordergrund.
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[Bearbeiten] Grundlagen
Für Niccolò Machiavelli (1469–1527) waren alle menschlichen Gewalten, die Macht über Menschen haben, Staat. Für Jacob Burckhardt (1818–1897) ist der Staat damit eine der wesentlichen Kräfte neben Religion und Kultur, die die menschliche Geschichte bestimmen.
Entscheidende Bestandteile der heute gesetzmäßigen Begriffsdeutung sind
- eine irgendwie geartete politische Vereinigung einer größeren Menschengruppe, die
- in einem mehr oder weniger geschlossenen Gebiet
- unter einer mehr oder weniger einheitlichen Form der – etablierten, durchgesetzten oder beschlossenen – Machtausübung leben.
Diese drei Hauptkriterien haben sich im modernen Völkerrecht seit Georg Jellinek (1851–1911) herauskristallisiert.
Zum Staat gehört eine politische Instanz, die zur Schaffung und Wahrung von Recht und öffentlicher Ordnung in der Gesellschaft zuständig ist und diese mittels einer Verwaltung, dem Staatsapparat, auch durchsetzen kann (→ Primat der Politik).
[Bearbeiten] Etymologie
Das deutsche Wort „Staat“ ist dem lateinischen status („Stand, Zustand, Stellung“) entlehnt. Das daher stammende italienische lo stato kam in der Renaissance auf und bezeichnete dort die mehr oder weniger stabile Verfassungsform einer Monarchie oder Republik. Der status regalis meinte Stellung, Macht und Einfluss des zur Herrschaft gelangten Königs oder Fürsten, später auch seines Anhangs, des Hofstaats. Die französische Übersetzung état konnte dann auch auf den ökonomischen Haushalt der Zentralmacht, später auch auf die rechtliche und politische Einheit aller Staatsbürger (von der Ständeordnung hin zur bürgerlichen Gesellschaft) eines Staatsgebiets bezogen werden.
Seine heutige Bedeutung hat der Staat als äußerlicher, immer mächtigerer Organisationszusammenhang der Gemeinschaft dann in neuerer Zeit erlangt; aus staatsrechtlicher Sicht gibt es diese spezifische Form von Herrschaftsorganisation erst seit der europäischen Neuzeit.[5]
Mit dieser Wortgeschichte ging der historische Wandel politischer Gebietskörperschaften einher, so dass sich der neuzeitliche Staatsbegriff nur bedingt auf ältere Herrschaftsformen anwenden lässt. Ältere griechische und lateinische Begriffe wie polis (Stadtstaat), civitas („Bürgerschaft“), res publica („öffentliche Angelegenheit“), regimen („Königsherrschaft“), regnum („Königreich“) oder imperium („erobertes einheitlich regiertes Herrschaftsgebiet“) bezeichnen je einzelne, ebenfalls nicht verallgemeinerungsfähige Aspekte ähnlicher Sachverhalte.
[Bearbeiten] Entstehung, Entstehungstheorien
Über die vorgeschichtliche Entstehung der ersten einheitlich verfassten politischen Gemeinwesen gibt es verschiedene historische Theorien, die oft mit der Legitimation einer aktuellen Staatsform verbunden sind.
In der heutigen, beinahe vollständig verstaatlichten Welt können neue Staaten vor allem auf drei Arten entstehen:
- Aus einem Staat kann durch Sezession eines Teils von ihm ein neuer Staat entstehen.
- Bei einer Dismembration zerfällt ein Staat und geht unter, es bilden sich Neustaaten.
- Umgekehrt können sich durch Fusion (z. B. bei einer Neugliederung des Bundesgebietes) zwei oder mehrere Staaten zu einem neuen vereinigen; häufiger kommt es allerdings zu einer Eingliederung:[6] Auch die deutsche Wiedervereinigung führte zu keiner Staatsneugründung, sondern das Beitrittsgebiet wurde in die weiterbestehende Bundesrepublik inkorporiert.
Zur Vereinigung im Sinne einer Inkorporation siehe auch: Annexion
[Bearbeiten] Typen
Aristoteles ordnete die vorfindlichen Herrschaftsformen im Anschluss an Platon und Herodot nach sechs Grundtypen, wobei er drei positive Typen ihren jeweiligen Entartungen gegenüberstellte:
- Monarchie (Alleinherrschaft)
- Tyrannis (Diktatur)
- Aristokratie (Elitenherrschaft)
- Oligarchie (Herrschaft einer kleinen Gruppe)
- Politie (Herrschaft Vieler zum Gemeinwohl aller, Demokratie als ihre Entartung)
- Ochlokratie (Pöbelherrschaft)
Beispiele weiterer Staatsformen:
- Demokratie (Volksherrschaft, autonome Selbstregierung des Volkes)
- Plutokratie (Herrschaft der Vermögenden)
- Kommunismus (klassenlose Gesellschaft)
- Theokratie (Priesterstaat)
- Kleptokratie (Bananenrepublik, schwacher Staat)
- Pornokratie (Mätressenherrschaft)
- Timokratie (Herrschaft der Besitzenden/Angesehenen)
- Meritokratie (Herrschaft durch nach ihren Verdiensten ausgewählte Amtsträger)
- Anarchie (weitgehende Abwesenheit von Herrschaft. Siehe auch Eine Verteidigung des Anarchismus)
Cicero ließ nur die drei positiven Typen (Monarchie, Aristokratie, Demokratie) als res publica gelten. Heutige Staatsformen nehmen meist den Begriff der Demokratie für sich in Anspruch, auch solche, in denen die Partizipation der Bevölkerung an politischen Entscheidungsprozessen faktisch stark eingeschränkt ist. Der in der Europäischen Union und Nordamerika vorherrschende Staatstyp ist durch Parlamentarismus und repräsentative Demokratie geprägt (→ Staatsmodell).
[Bearbeiten] Soziologie
Ferdinand Tönnies ordnet in Gemeinschaft und Gesellschaft den Staat in der politischen Sphäre der „Gesellschaft“ zu.[7] Max Weber folgt dem, indem er in seiner Herrschaftssoziologie „Staat“ als einen solchen politischen „Anstaltsbetrieb“ definiert, dessen Verwaltungsstab erfolgreich das Monopol legitimen physischen Zwanges (also das Gewaltmonopol) für die Durchführung der Ordnungen in Anspruch nimmt.[8] Für den modernen Staat sind nach Max Weber Territorialität, Gewaltmonopol, Fachbeamtentum und bürokratische Herrschaft kennzeichnend. Dem Anspruch nach hat sich diese Form politischer Herrschaft spätestens seit der Epoche des Kolonialismus global verbreitet (vgl. Schlichte 2005).
Der soziologischen Staatsidee Franz Oppenheimers folgend ist der Staat seinem Wesen und Ursprung nach eine Einrichtung, „die von einer siegreichen Menschengruppe einer besiegten Menschengruppe aufgezwungen wurde mit dem einzigen Zwecke, die Herrschaft der ersten über die letzte zu regeln und gegen innere Aufstände und äußere Angriffe zu sichern.“[9]
Als System verwendet Niklas Luhmann den Begriff „Staat“ nur in Anführungszeichen.[10] Luhmann definiert den Begriff als eine semantische Einrichtung: Der Staat sei kein politisches System, sondern die Organisation eines politischen Systems zur Selbstbeschreibung dieses politischen Systems.[11]
[Bearbeiten] Ökonomie
Als Staat bezeichnet man in der Volkswirtschaftslehre jedes hoheitlich tätige Wirtschaftssubjekt, beispielsweise eine Regierung, eine Verwaltung sowie teilweise eine Institution sui generis. Der Staat wird als Summe aller Zwangsverbände betrachtet. Staatliches Handeln im volkswirtschaftlichen Sinn umfasst demnach die Tätigkeit aller politischer Ebenen (d. h. kommunaler, regionaler und bundesstaatlicher Einrichtungen).
Der Staat wird als wirtschaftlich agierendes Subjekt unter dem Aspekt seiner Rolle und Bedeutung für eine Volkswirtschaft betrachtet. Die Volkswirtschaftslehre sieht den Staat als zentralen Träger der Wirtschaftspolitik an. Über Ordnungspolitik, Strukturpolitik und Prozesspolitik soll er die Funktionsfähigkeit des Wirtschaftssystems sicherstellen.
In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist der Staat ein Element des Wirtschaftskreislaufs. Er greift mittels monetärer Transaktionen in Marktabläufe ein:
- indem er Waren und Dienstleistungen kauft und verkauft,
- indem er Steuern erhebt und
- indem er Transferzahlungen leistet (z. B. Subventionen, Sozialleistungen).
Die (Fiskalpolitik) legt fest, wieviel Geld für welche Positionen eingenommen und ausgegeben wird; ihre Entscheidungen beeinflussen unter anderem den Haushaltsplan, die Staatsverschuldung und das Wirtschaftswachstum. Die Betrachtung des Staates als Wirtschaftssubjekt bezieht sich nur auf von einer Regierung direkt oder indirekt kontrollierte Einrichtungen. Demnach gehören unabhängige Zentralbanken nicht dazu. Unklar ist die Abgrenzung zwischen Staats- und Unternehmenssektor; allgemein werden beispielsweise Staatsunternehmen, die einer Gewinnerzielungsabsicht unterliegen, dem Unternehmenssektor zugerechnet. Liegt keine Gewinnerzielungsabsicht vor, so wird eine betriebliche Tätigkeit zumeist dem Staatssektor zugerechnet.
Zur Abgrenzung (bzw. Kongruenz) der Begriffe „Staat“ und „Gesellschaft“ siehe: Staat und Gesellschaft
[Bearbeiten] Völkerrecht
[Bearbeiten] Merkmale von Staaten
Das klassische Völkerrecht kennt drei Merkmale des Staates:
- eine Bevölkerung (Staatsvolk),
- einen geografisch abgrenzbaren Teil der Erdoberfläche (Staatsgebiet),[12]
- eine stabile Regierung, die effektive Gewalt ausübt (Staatsgewalt).
Diese sogenannte Drei-Elemente-Lehre wurde von dem Staats- und Völkerrechtler Georg Jellinek entwickelt. Sie gilt heute als allgemein anerkannt. Bei Erfüllung der drei Merkmale liegt ein Staat im Sinne des Völkerrechts und damit ein Völkerrechtssubjekt vor.
Die Konvention von Montevideo benennt als zusätzliches Kriterium die Fähigkeit, mit anderen Staaten in Beziehungen zu treten. Diese Auffassung hat sich aber in der Völkerrechtswissenschaft nicht durchsetzen können und entspricht auch nicht der Staatenpraxis der Gegenwart. Der Anwendungsbereich dieses Kriteriums beschränkt sich tatsächlich auf einen Teilaspekt der Staatsgewalt, nämlich die Fähigkeit, nach außen selbstständig und rechtlich unabhängig nach Maßgabe des Völkerrechts zu handeln. Diese äußere Souveränität ist eine Eigenschaft der Staatsgewalt, nicht aber ein zusätzliches, viertes Staatsmerkmal.
[Bearbeiten] Anerkennung von Staaten
Von der „Staats“-Qualität zu unterscheiden ist die Anerkennung von Staaten. Eine solche Anerkennung hat nach der überwiegend vertretenen Auffassung eine rein deklaratorische Wirkung, das heißt, sie ist für die Eigenschaft des anerkannten Staates, ein Staat zu sein, nicht konstitutiv. Allerdings kommt der Anerkennung rein faktisch eine starke Indizwirkung zu, durch die auf die völkerrechtliche Existenz als Staat geschlossen werden kann.
Von der Anerkennung von Staaten wiederum zu unterscheiden ist die Anerkennung von Regierungen. Diese bedeutet die Feststellung, dass ein bestimmtes Regime rechtmäßiger Inhaber der Staatsgewalt eines Staates ist. Da die Anerkennung einer Regierung begrifflich bereits die Anerkennung des jeweiligen Staates voraussetzt, kommt ihr nur bei einer Verweigerung der Anerkennung eigenständige Bedeutung zu. Dies betrifft insbesondere Fälle der Machtübernahme einer nicht demokratisch legitimierten Regierung – sogenanntes stabilisiertes De-facto-Regime – z. B. in Folge eines Militärputsches.
[Bearbeiten] Staatennachfolge
→ Hauptartikel: Nachfolgestaat
Das Recht der Staatennachfolge regelt die Frage, wann und in welchem Umfang neue Staaten in die rechtlichen Positionen ihrer Vorgängerstaaten eintreten. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr dieser Rechtskomplex im Zuge der Auflösung der Sowjetunion und Jugoslawiens. Die Staatennachfolge wird ganz überwiegend nach Völkergewohnheitsrecht geregelt. Zwar sind mit der Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge[13] vom 23. August 1978 sowie der Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Vermögen, Archive und Schulden von Staaten[14] vom 8. April 1983 jeweils entsprechende völkerrechtliche Verträge geschlossen worden, doch ist erstgenannter Vertrag aufgrund der niedrigen Zahl seiner Vertragsstaaten von nur geringer praktischer Bedeutung und ist letztgenannter Vertrag in Ermangelung einer ausreichenden Zahl von Ratifikationen bislang nicht in Kraft getreten.
[Bearbeiten] Deutschland
Die Frage nach der Staatennachfolge stellt sich allerdings nur dann, wenn ein Staat die völkerrechtliche Identität seines Vorgängerstaates nicht fortsetzt, sondern ein neues Völkerrechtssubjekt darstellt. Bei einer Identität mit dem jeweiligen Vorgängerstaat handelt es sich sprachlich also gar nicht um einen Vorgängerstaat, sondern um denselben Staat. So ist z. B. nach heute ganz herrschender Auffassung die Bundesrepublik Deutschland subjektidentisch mit dem 1945 besiegten Deutschen Reich.[15] Als Folge besteht die Bindung der bis 1945 eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands fort und muss nicht erneuert werden.
Laut dem Bundesverfassungsgericht wurde „mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland […] nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert.“[16]
Siehe auch: Rechtslage des Deutschen Reiches nach 1945
[Bearbeiten] Russland und die Sowjetunion
Die Russische Föderation (Rossijskaja Federatsija) ist als Völkerrechtssubjekt nicht Rechtsnachfolger der Sowjetunion, sondern ihr „Fortsetzerstaat“; am 8. Dezember 1991 unterzeichneten bei Minsk die sich mittlerweile zu von der Sowjetunion unabhängigen Staaten erklärten Republiken der Ukraine und Weißrusslands sowie Russland ein „Abkommen über die Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten“ (GUS; russ.: Sodružestvo Nezavisimych Gosudarstv). Zwar heißt es in der Präambel des GUS-Gründungsabkommens, dass „die UdSSR als Völkerrechtssubjekt und als geopolitische Realität ihre Existenz beendet“ habe,[17] aber dennoch ist auf die Russische Föderation nach der Auflösung der Union deren „Verbindungsfaden mit der Außenwelt übergegangen“.[18] Die Russische SFSR hatte zuvor – anders als die übrigen ehemaligen Sowjetrepubliken – ihrerseits keine Unabhängigkeitserklärung abgegeben.[19]
Auf der GUS-Konferenz in der damaligen kasachischen Hauptstadt Alma-Ata hieß es in einer Deklaration von elf Nachfolgestaaten (acht weitere Staaten wurden mittlerweile über das Protokoll als „Gründungsmitglieder“ in die Gemeinschaft aufgenommen), dass „mit der Schaffung der Gemeinschaft unabhängiger Staaten […] die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ihre Existenz beendet“ habe. Am 22. Dezember 1991 verständigte man sich mit dem sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow, den nunmehr zum Torso gewordenen Sowjetstaat endgültig aufzulösen. Nun hatten bereits sämtliche Unionsrepubliken außer die RSFSR im Rahmen des Augustputsches von 1991 explizit ihre Unabhängigkeit vom Zentralstaat erklärt. Die neugegründete Russische Föderation übernahm die völkerrechtlichen Rechte und Pflichten gegenüber der übrigen Welt. So hieß es in der „Zirkularnote“ des russischen Außenministeriums am 13. Januar 1992, die allen diplomatischen Vertretungen in Moskau zugestellt wurde, dass die Russische Föderation ihrerseits alle Rechte und Pflichten, die durch die Sowjetregierung geschlossenen Verträge entstanden, übernehmen werde. („[…] Die Russische Föderation setzt die Ausübung der Rechte und Erfüllung der Pflichten aus den von der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken geschlossenen Verträge fort. Demzufolge wird die Regierung der Russischen Föderation anstelle der Regierung der UdSSR die Funktion des Verwahrers für die entsprechenden mehrseitigen Verträge wahrnehmen. […]“[20])
Russland ist somit das auf föderativer Basis neuorganisierte Völkerrechtssubjekt und als Staat identisch mit der damaligen RSFSR. Diese neue Basis war folgerichtig nach dem Ende der Sowjetunion Gegenstand von Verhandlungen zwischen Moskau und den einzelnen Republiken.[21] Der Schritt erfolgte einseitig und ohne Rücksprache mit den anderen Staaten der GUS. So wurde dann auf dem GUS-Treffen am 20. März 1992 in Kiew per Beschluss klargestellt, „dass alle Teilnehmerstaaten der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten Rechtsnachfolger in Rechten und Pflichten der ehemaligen UdSSR sind“.[20] Der Eintritt der übrigen ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken z. B. in das Vermögen der UdSSR musste jeweils gesondert geregelt werden, in der Regel durch Vertrag mit der Russischen Föderation und betroffenen Drittstaaten.
[Bearbeiten] Anzahl
Insgesamt gibt es 193 vollständig (von der UNO) anerkannte souveräne Staaten, siehe Liste der Staaten der Erde. Darunter fallen die 192 Mitglieder der UN sowie der Staat Vatikanstadt.
Weitere Staaten werden nicht von den Vereinten Nationen anerkannt, allerdings von einer Minderheit der weltweiten Staaten:
- Abchasien (nur von Russland, Venezuela,[22] Nauru und Nicaragua anerkannt[23])
- Republik China (auf Taiwan; derzeit von 23 Staaten anerkannt)
- Kosovo (2008 von 61 Staaten anerkannt;[24] unter anderem von Deutschland[25], Liechtenstein[26], Österreich[27] und der Schweiz[28])
- Türkische Republik Nordzypern (nur von der Türkei[29] anerkannt)
- Demokratische Arabische Republik Sahara (derzeit von 45 Staaten anerkannt)
- Südossetien (nur von Russland, Venezuela, Nauru und Nicaragua anerkannt[23])
[Bearbeiten] Staaten als „Räuberbanden“
Der bedeutende Kirchenlehrer und Philosoph Augustinus (354–430) hat Staaten, zumindest wenn es ihnen an Gerechtigkeit ermangelt, mit Räuberbanden verglichen:
„Was anderes sind also Reiche, wenn ihnen Gerechtigkeit fehlt, als große Räuberbanden? Sind doch auch Räuberbanden nichts anderes als kleine Reiche. Auch da ist eine Schar von Menschen, die unter Befehl eines Anführers steht, sich durch Verabredung zu einer Gemeinschaft zusammenschließt und nach fester Übereinkunft die Beute teilt. Wenn dies üble Gebilde durch Zuzug verkommener Menschen so ins Große wächst, dass Ortschaften besetzt, Niederlassungen gegründet, Städte erobert, Völker unterworfen werden, nimmt es ohne weiteres den Namen Reich an, den ihm offenkundig nicht etwa geschwundene Habgier, sondern erlangte Straflosigkeit verleiht.“[30]
[Bearbeiten] Anhang
[Bearbeiten] Siehe auch
- Liste der Staaten der Erde
- Schwacher Staat, Gescheiterter Staat
- State Building
- Staatssoziologie
- Unrechtsstaat
- Territoriale Integrität
- ISO 3166
- Der Staat
- Überstaatlichkeit
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Siehe hierzu im Einzelnen Martin Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln (= Jus Publicum, Bd. 194), Mohr Siebeck, Tübingen 2010, S. 77 ff.; vgl. auch Theodor Schweisfurth, Völkerrecht, UTB, Tübingen 2006, Kap. 9 § 1, S. 278–295 (278 f.) und § 3 Rn 111–113.
- ↑ Vgl. Alfred Katz, Staatsrecht: Grundkurs im öffentlichen Recht, 18. Aufl., C.F. Müller/Hüthig Jehle Rehm, Heidelberg/München 2010, § 3 Rn 21, 22.
- ↑ Dirk Freudenberg, Theorie des Irregulären: Partisanen, Guerillas und Terroristen im modernen Kleinkrieg, 1. Aufl., VS Verlag, Wiesbaden 2008, Kap. II.1, S. 33 ff. (35).
- ↑ Siehe z. B. Reinhart Klemens Maurer, Platons „Staat“ und die Demokratie, S. 1 ff.
- ↑ Dirk Freudenberg, Theorie des Irregulären: Partisanen, Guerillas und Terroristen im modernen Kleinkrieg, 1. Aufl., VS Verlag, Wiesbaden 2008, Kap. II.1.1, S. 36 mwN.; s. hierzu insb. Josef Isensee, Paul Mikat, Martin Honecker, Ernst Chr. Suttner, Staat, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon. Recht – Wirtschaft – Gesellschaft, Bd. 5, 7. Aufl., Freiburg i. Br., Basel, Wien 1995, Sp. 133 ff.
- ↑ Zu den zwei Alternativen bei der Vereinigung zweier Staaten siehe Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge: Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation (= Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht; Bd. 141), Springer, Berlin/Heidelberg/New York 2000, Kap. 3.IV.1, S. 114 f.; zur Dismembration s. S. 67 sowie Kap. 1.C.I, 303 ff.
- ↑ 1887, Buch 3, § 29; im Kontrast dazu ist bei Tönnies der politischen Sphäre der „Gemeinschaft“ etwa die Polis zuzuordnen.
- ↑ Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Kap. 1, § 17
- ↑ Der Staat von Franz Oppenheimer. Entsprechend bereits Ludwig Gumplovicz, Die soziologische Staatsidee, Graz 1892.
- ↑ Niklas Luhmann: Macht, 1975, ISBN 978-3-8252-2377-9
- ↑ Niklas Luhmann: Die Politik der Gesellschaft, 2000, ISBN 978-3-518-58290-9
- ↑ Grenzfall eines Staates ohne Staatsgebiet ist der Souveräne Malteserorden (umstritten).
- ↑ Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge (PDF)
- ↑ Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Vermögen, Archive und Schulden von Staaten (PDF)
- ↑ Siehe auch Theodor Schweisfurth, Völkerrecht, Mohr Siebeck, UTB, Tübingen 2006, S. 336 f., Rn 213. ISBN 3-8252-8339-9.
- ↑ Urteil vom 31. Juli 1973, Az. 2 BvF 1/73, in: BVerfGE 36, S. 1 ff.
- ↑ Nach Theodor Schweisfurth, Das Recht der Staatensukzession; Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Band 35. Heidelberg 1995, S. 58.
- ↑ Zitiert n. russ. Außenminister Kosyrew im Januar 1992; vgl. auch Andreas Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge: Zugleich ein Beitrag zu den Möglichkeiten und Grenzen völkerrechtlicher Kodifikation, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Springer, 2000, ISBN 3-540-66140-9, S. 91 Fn 325.
- ↑ So etwa Antonowicz, Disintegretation of the USSR, S. 9; Bothe/Schmidt, Questions de succession, S. 824.
- ↑ a b Schweisfurth, S. 65.
- ↑ Claudia Willershausen, Zerfall der Sowjetunion: Staatennachfolge oder Identität der Russländischen Föderation, Kovač, Hamburg 2002
- ↑ Venezuela erkennt Südossetien an, Tagesspiegel vom 11. September 2009.
- ↑ a b AFP: Nicaragua erkennt Abchasien und Südossetien an vom 4. September 2008. Abgerufen am 5. September 2008.
- ↑ Who Recognized Kosova as Independent State. Außenministerium der Republik Kosovo, abgerufen am 3. November 2008.
- ↑ Presse- und Informationsamt der Deutschen Bundesregierung: Pressemitteilung: Erklärung zur Entscheidung des Parlaments im Kosovo vom 20. Februar 2008. Abgerufen am 5. September 2008.
- ↑ Landesverwaltung Fürstentum Liechtenstein: Pressemitteilung: Liechtenstein anerkennt den Kosovo vom 28. März 2008. Abgerufen am 5. September 2008.
- ↑ Bundeskanzleramt Österreich: Pressemitteilung: Bundeskanzler Gusenbauer: „Kosovo anerkennen und Serbien eine europäische Perspektive bieten“ vom 20. Februar 2008. Abgerufen am 5. September 2008.
- ↑ Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft: Pressemitteilung: Erklärung von Bundespräsident Pascal Couchepin: Anerkennung von Kosovo und Aufnahme von diplomatischen Beziehungen vom 27. Februar 2008. Abgerufen am 5. September 2008.
- ↑ Presse- und Informationsamt der Deutschen Bundesregierung: Beitrittskandidat Türkei. Abgerufen am 5. September 2008.
- ↑ Augustinus, De civitate Dei IV 1
[Bearbeiten] Literatur
- Arthur Benz: Der moderne Staat. Grundlagen der politologischen Analyse, Oldenbourg, München 2001, ISBN 3-486-23636-9.
- Gotthard Breit, Peter Massing (Hrsg.): Der Staat. Ideengeschichtliche Grundlagen, Wandel der Aufgaben, Stellung des Bürgers. Eine Einführung. Wochenschau-Verlag, Schwalbach 2003, ISBN 3-89974-072-6.
- Stefan Breuer: Der Staat. Entstehung, Typen und Organisationsstadien, Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3-499-55593-X.
- Pierre Clastres: La Société contre l’État, Minuit, 1974; dt. Staatsfeinde: Studien zur politischen Anthropologie, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1976. – zur Entstehung des Staates
- James R. Crawford: The Creation of States in International Law. 2. Aufl., Oxford University Press, Oxford 2006, ISBN 0-19-826002-4.
- Ernst Forsthoff: Der Staat der Industriegesellschaft, 2. Aufl., Beck, München 1971.
- Karl Held (Hrsg.): Der bürgerliche Staat, GegenStandpunkt, München 1999, ISBN 3-929211-03-3 (Link).
- Robert Chr. van Ooyen: Der Staat der Moderne. Hans Kelsens Pluralismustheorie, Berlin 2003.
- Helmut Kuhn: Der Staat. Eine philosophische Darstellung. Kösel, München 1967.
- Franz Oppenheimer: Der Staat. Neudruck der 3. überarbeiteten Auflage von 1929, Libertad, Berlin 1990 (Link).
- Ernst Meyer: Einführung in die Antike Staatskunde, 6. Aufl., WBG, Darmstadt 1992.
- Wolfgang Reinhard: Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, Beck, München 2002, ISBN 3-406-45310-4.
- Murray N. Rothbard: The Anatomy of the State (Link).
- Klaus Schlichte: Der Staat in der Weltgesellschaft. Politische Herrschaft in Asien, Afrika und Lateinamerika. Campus, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-593-37881-7.
- Carl Schmitt: Der Begriff des Politischen. 7. Aufl., Duncker und Humblot, Berlin 2002, ISBN 3-428-08725-9.
- Stefan Talmon: Kollektive Nichtanerkennung illegaler Staaten. Grundlagen und Rechtsfolgen einer international koordinierten Sanktion, dargestellt am Beispiel der Türkischen Republik Nord-Zypern. Mohr Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 3-16-147981-5.
- Hans-Peter Waldrich: Der Staat. Das deutsche Staatsdenken seit dem 18. Jahrhundert. Olzog, München 1973, ISBN 3-7892-7063-6.
- Weltbank (Hrsg.): Weltentwicklungsbericht 1997. Der Staat in einer sich ändernden Welt. Washington, DC 1997, ISBN 0-8213-3772-6.