Der in Düsseldorf am germanistischen Institut der Heinrich-Heine-Universität lehrende Rudi Keller hat die Zeichentheorie von Peirce um einige wesentliche Punkte erweitert. Peirce ordnet Zeichen nach ihrem Bezug zum Objekt: Der Interpretant wie auch das Zeichen beziehen sich auf das eigentliche, worum es im theoretischen Blickwinkel geht: das Objekt.
Keller verschiebt in seiner Theorie den Fokus: Die Schlüsse, die der Interpret zieht, sind ausschlaggebend, um die Zeichen in Klassen einzuordnen. Das erscheint mir auch sehr einleuchtend, da die Bedeutung ja erst im Bewusstsein des Interpreten zustandekommt. Außerdem wehrt er sich vehement gegen den Saussure’schen zweigeteilten Zeichenbegriff, da er seiner Meinung nach zu sehr in eine „Verdinglichung“ des Zeichenbegriffs münde und auch von einer Unveränderlichkeit von Zeichen ausgehe.
Die Keller’schen Zeichenklassen
Keller unterscheidet also folgende Klassen:
- Symptome
Es besteht ein kausaler Zusammenhang, aber es gibt keinen Sender. Im Unterschied zum Peirce’schen Index werden bei Keller in diese Klasse nur Zeichen aufgenommen, die auch tatsächlich interpretiert werden. Der Arzt, der Symptome deutet, macht diese also erst zum Zeichen. - Ikone
Ikone haben demgegenüber einen Sender, sind also von vorneherein „richtige“ Kommunikationsmittel. Assoziative Schlüsse des Interpreten sind aufgrund von Ähnlichkeitsverhältnissen zwischen Zeichen und Objekt möglich. Computericons wie die Diskette zum Speichern, aber auch Piktogramme wie die olympischen Sportpiktogramme von Otl Aicher sind ein klassisches Beispiel hierfür. - Symbole
Bei Keller die konventionalisierten Zeichen, also Zeichen, die arbiträr mit der Bedeutung verknüpft sind. Sprache, aber auch Firmenlogos bzw. Markenzeichen sind primär Symbole: Der Interpret muss lernen, die Marke mit dem Zeichen zu verknüpfen.
- Zeichenmetamorphosen
Nun gibt es bei Keller die Möglichkeit für Zeichen, die Klasse zu wechseln: Ein Symptom kann zum Ikon werden, und auch dieses hat über einen längeren Zeitraum hinweg die Tendenz, zum Symbol zu werden.
Zeichenmetamorphosen
Die interessantesten Metamorphosen sind allerdings folgende:
Ikonifizierung
Vom Symptom zum Ikon wird ein Zeichen in Kellers Beschreibung zB durch Imitation, so wie es bei einem nachgemachten Gähnen der Fall sein kann. Normalerweise ist Gähnen ein Symptom von Müdigkeit und Sauerstoffmangel; durch die Simulation wird es zum Ikon: Es hat Ähnlichkeit, gleichzeitig interpretiert der Rezipient das Gähnen nicht mehr kausal, sondern assoziativ, nämlich als Zeichen von Langeweile. Abgedruckte Perlen auf einer Bierflasche, so wie sie in Anzeigenwerbungen zu finden sind, gehören wohl hierzu. (Das erinnert mich an – ich glaube, Eco: Auch dort wird in der semiotischen Werbeanalyse darauf gepocht, dass das, was auf dem Plakat zu sehen ist, ja nur ähnlich aussieht wie die Realität. Ich werde da aber nochmal recherchieren müssen, ob es Eco oder Barthes ist.)
Symbolifizierung
Assoziationen bei der Interpretation werden hier im Laufe der Zeit durch Konventionen ersetzt: „Wem einmal ein und dasselbe Rätsel mehrmals gestellt wird, der braucht bald nicht mehr zu raten; er weiß eben die Lösung.“ (Keller 1995, S. 168) Wird ein und dasselbe Ähnlichkeitskriterium also häufig genug genutzt, um ikonisch zu kommunizieren, so muss die Ähnlichkeit im Laufe der Zeit nicht mehr so wichtig sein und das angedeutete Zeichen wird konventionell mit der Bedeutung verknüpft sein.
Bei Verkehrsschildern lässt sich das über die Jahre hinweg gut beobachten: Die Ähnlichkeit nimmt stetig ab – Das Schild für „Wanderparkplatz“ zeigt dies meiner Meinung nach am deutlichsten:
Es gibt sicher noch bessere Beispiele, doch das hier soll zunächst einmal genügen.
Die Marke im Keller
Nun ist es an der Zeit, die Marke auch bei Keller einzuordnen. Alles wird nicht von Belang sein, aber die Zeichenmetamorphosen bilden in jedem Fall den Lernprozess von Zeichen ab. Auch die Kommunkationssituation passt: Der Sender bietet „intentional“ und „auf offene Weise“ ein Zeichen zur Interpretation an, um „etwas zu erkennen zu geben“, nämlich mindestens die Herkunft des Produkts oder der Idee, im Optimalfalle aber noch mehr, nämlich die Markenpersönlichkeit (Im Moment tendiere ich dazu, diesen Begriff statt „Image“ zu verwenden).
Hier könnte es spannend werden, die Metamorphosen zu übertragen: Assoziiert man noch „Benz“ mit Qualität und Luxus, oder ist es schon eine Konvention? Wie kommt es dazu, dass eine Marke symbolifiziert wird?
Und wie sähe eine Ikonifizierung aus? Könnte die Robustheit des ThyssenKrupp’schen Stahls möglicherweise dazu geführt haben, dass diese Marke in der Geschichte bereits mit Härte assoziiert wurde?
31. Januar 2008 um 10:29 |
oha, es wird spannend!